Durch die Weiten Asiens: China, Laos und Thailand

Mit Fahrrad und Zelt reiste ich 1998/1999 von Süd- nach Nordchina und zurück. Ich überquerte die Grenze nach Laos und erreichte schließlich Thailand.  Insgesamt legte ich über zehntausend Kilometer zurück

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Durch die Weiten Asiens: China, Laos und Thailand

Ich radele durch den ruhigen, kühlen und klaren Morgen. Die Welt ist für die nächsten zweiundachtzig Kilometer noch in Ordnung. Die Sonne wärmt den Rücken. Außerhalb des Ortes fängt eine Rumpelpiste an, die durch ein Dorf mit klitzekleinem Markt führt. Nach etwa achtzehn Kilometern erreiche ich das Ende der Ebene von Yan Yuan. Die Piste folgt dem Hauptfluss durch ein abfallendes, grasbewachsenes Tal, das spärlich aufgeforstet wurde. Wo sind bloß die ursprünglichen Wälder geblieben und die Bären, vor denen die Polizisten mich gewarnt haben? Ich schlittere durch verschlammte Stellen und das Säubern meines Fahrrads in Yan Yuan war für die Katze.

Ich fahre durch Yi-Dörfer mit weiß getünchten Steinhäuschen und Blockhütten. Egal, wohin ich komme, die Leute starren mich an wie eine Erscheinung von einem anderen Stern. Die farbenprächtigen Trachten der Frauen leuchten in der Sonne. Einige rauchen genüsslich eine Metallpfeife. Ausgerechnet als es Zeit wird, einen Lagerplatz zu finden, fängt eine Schlucht an. Ich finde einen Pfad zum Fluss hinunter und schlage mein Zelt auf den Steinen im Flussbett auf. Der zunehmende Mond, das große Sommerdreieck und Kassiopeia leuchten über meinem von Steilwänden eingerahmten Platz.

Am Morgen verhängt eine Wolkenbank die Schlucht, erst spät scheint die Sonne ins Tal. Schon bald biegt mein Weg nach links in ein Seitental ab. Vor einigen Hütten beladen ein paar Männer ihre Esel. „Ist dies der Weg zum Lugu-See?“, frage ich. Lakonisch winken sie ab und sagen: „Die Straße ist durch einen Erdrutsch blockiert, da geht es nicht weiter!“ Sie wenden sich wieder ihrer Arbeit zu.

Sollte ich etwa zweihundertsechsundzwanzig Kilometer umsonst geradelt sein? Über zwei hohe Pässe und über Straßen, die keine waren, müsste ich zurück bis Xichang an der Route 108, wenn ich in dieser Sackgasse stecken bleiben würde! Ich fahre um die Ecke, um mir die Sache anzusehen und stehe vor dem ersten Hindernis. Die unter überhängenden Felsen verlaufende Piste ist mit Gesteinsbrocken übersät. Ich schiebe und hieve mein Fahrrad hindurch. Es ist anstrengend, aber machbar. Ein Jeep jedoch käme hier nicht mehr durch.

Sollte das die Blockierung gewesen sein? Ich ahne, dass das nicht der Fall ist, denn wenn Chinesen sagen, etwas gehe nicht, dann geht es gewöhnlich auch nicht. Und da sehe ich ihn auch schon: ein riesiger Erdrutsch! Vom Kamm an ist der Berghang zum Fluss abgerutscht. Ein kaum erkennbarer Pfad windet sich durch die Felsblöcke und führt steil zurück zum Weg auf der anderen Seite. Ich muss zurück! Zweihundertsechsundzwanzig Kilometer zurück? Nein! Jeder Fahrradfahrer hasst es, glaube ich, denselben Weg zurückzufahren. In mehreren Gängen würde ich Gepäck und Rad hinüberschaffen. Ich hatte ja Zeit!

Kletterschritt für Kletterschritt balanciere ich mit jeweils einem Gepäckstück über den rutschigen Pfad. Die Geröllmassen fallen senkrecht ab zum tosenden Fluss, an einigen Stellen ist der Halt nicht breiter als ein Fuß. Wie soll ich das Fahrrad bloß herüberkriegen? – Eine Radtasche und Tiger sind noch zu holen, als ein junger Mann von der anderen Seite kommt. Er trägt zwei leere Kanister am Schulterstab und rennt sicheren Schritts über Steine und Felsen. Ich bitte ihn, mir zu helfen, es sei auch nicht umsonst. Nein, nein, Geld wolle er nicht, er mache das schon! Er schnappt sich Tiger und springt wie ein Wiesel davon. Meine Erleichterung ist unbeschreiblich.

„Das ist nicht der einzige Erdrutsch“, sagt er und hebt drei Finger in die Luft. Entsetzt starre ich ihn an. Noch drei Erdrutsche? Was soll ich denn jetzt machen? Nach all dem Theater doch zurück? „Kommt nicht infrage! Ich schaffe das schon!“

Die einstmals gute Naturstraße ist an vielen Stellen halb, an manchen sogar dreiviertel weggebrochen. Spalten im Weg deuten weitere Bruchstellen an. Felsen und Steine aus der Bergwand liegen zersplittert im Weg und weisen auf Steinschlaggefahr hin. Es kostet viel Kraft, kleinere Erdaufschüttungen zu überwinden. Schließlich stehe ich vor dem zweiten großen Erdrutsch: Der halbe Hang ist in den Fluss gefallen. Doch diese Hürde ist leichter zu nehmen als die erste, der Weg ist breit genug, um sicheren Fußes auf die andere Seite zu gelangen. 

 

Buchcover Auf alten Handelsrouten

Durch die Weiten Asiens: China, Laos und Thailand

Die Autorin reist mit Fahrrad und Zelt von China über Laos nach Thailand. Sie erzählt von Naturparadiesen, abgelegenen Seen und kargen Landschaften, von Klöstern, Palästen und archäologischen Parks, von ethnischen Minderheiten, Schlammpisten und Erdrutschen. Einmal verliert sie ihr Fahrrad, ein andermal unterbricht ein Unfall mit Folgen die Fahrt. In China erlebt sie die dünne Luft auf dem Dach der Welt und in Laos und Thailand die tropische Hitze und den Monsun. Viele Fotos veranschaulichen den Reisebericht!

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