Auf alten Handelsrouten - Reisebericht

Abends glauben wir, einen ruhigen Zeltplatz neben der Straße gefunden zu haben. Wir breiten unsere Schlafsäcke auf einer Plane aus. Wegen des guten Wetters bauen wir das Zelt nicht auf. Jugendliche und Kinder aus dem nächsten Dorf entdecken uns, trauen sich aber nicht in unsere Nähe.  Sie gucken  eine Weile aus der Ferne zu und verschwinden schließlich.

Kurz vor Mitternacht knackt es im Gebüsch. Ich sehe mehrere  Männer mit Stöcken in der Hand durch die Bäume auf uns zukommen. Sie scheinen aus dem nahe gelegenen Dorf zu kommen. Mir stockt der Atem, ich werde ganz steif und stelle mich tot. David rührt sich auch nicht. Wenn die Stöcke bloß nicht auf uns niedersausen, weil wir in ein fremdes Revier eingedrungen sind! Ich vermeine die Schläge schon zu spüren.

Die Männer hocken nun hinter unseren Köpfen. Einer spielt in langen Rhythmen eine Trommel. Die Schläge hallen dumpf durch die Nacht und bringen das Bauchfell zum Schwingen. Sie klingen wie drohendes Gewittergrollen, unheimlich und gespenstisch. Einer der Männer, wahrscheinlich der Dorfälteste,  übernimmt das Kommando. Ich blinzele durch die Wimpern und erblicke ein hageres Gesicht mit langer Nase und buschigen Augenbrauen, umrahmt von einem Vollbart. Der Alte trägt einen Turban und einen Dhoti, unter dem muskulöse, braune Beine hervorschauen. 

Die Trommel verstummt und er nimmt Kontakt auf: "You from?" fragt er in gebrochenem Englisch. David regt sich und erklärt ihm unsere Tour. Die Leute verstehen die Worte "cycling" und "tomorrow". "Yes, yes!" sagen sie. Sie gestikulieren mit ihren Armen in der Luft und reden nun von "village" und "drink". Wir sind im Dorf willkommen. "No, thank you very much. It is too late!" Zum Abschied singen sie ein Lied, schlagen die Trommel und endlich, endlich verschwinden sie in der Dunkelheit.