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Im Jahr des Drachen

Geschrieben von Mechthild. Veröffentlicht in Buecher

Leseprobe

Ein starker Gegenwind ist aufgekommen. Ich quäle mich für ein paar Kilometer ein Seitental hoch und schlage mein Lager an einem Bach auf. Drei Motorradfahrer halten an, legen sich bäuchlings vor das Zelt und knabbern Erdnüsse. Die Atmosphäre ist entspannt. Einer der Männer zeigt auf mein Zelt und zieht ein paar Geldscheine aus seinem Wams. Er will es mir abkaufen. Amüsiert frage ich: „Und wo soll ich dann schlafen?“ „Ab Maqen brauchst du kein Zelt mehr!“, meint er. – Wirklich? Von meinem Lebensstil hat er offensichtlich keine Ahnung. In der Dämmerung stehen die drei jungen Männer auf, setzen sich auf ihre Motorräder und fahren davon.
Ich lege mich schlafen und male mir die Zukunft aus. Maqen ist das Ziel meiner Träume. Dort wird es alles geben, was das Herz begehrt: gutes Essen, ein warmes Bett und eine heiße Dusche. „Dort kannst du sogar Geld tauschen!“, hatte der Polizist in Jiqzhi gesagt. Maqen würde die Rückkehr in die lang vermisste Zivilisation bedeuten. „Spinnst du?“, meldet sich die Gegenstimme. „Maqen liegt inmitten des Graslandes. Gar nichts wird es dort geben! Kein fließendes Wasser und schon lange keine Dusche!“
Ich wache auf und höre ein hauchfeines Schaben auf dem Zelt. Es schneit! Landschaft und Piste liegen unter einer zwanzig Zentimeter dicken Schneedecke! Eingeschneit! Was jetzt? Die in Watte gehüllte Welt erscheint mir grau und trostlos. Zwei Lastwagen brummen heran, hupen und verschwinden im Nebel. Seit Tagen trete ich auf der Stelle und bewege mich in weniger als vierzig-Kilometer-Schritten, obwohl ich den ganzen Tag über sieben bis acht Stunden auf dem Fahrrad sitze und gegen das Geröll, Schlaglöcher, aufgeweichte Stellen und Wellblechpisten ankämpfe. Es ist lächerlich! Mindestens einen Monat zu früh bin ich ins Hochland aufgestiegen. Kein Wunder, dass in viertausend Meter Höhe noch Winter herrscht. In Maqen würde ich die Tour abbrechen und diesen Wahnsinn beenden. Jawohl! Ich werde mit dem Bus nach Xining fahren, nehme ich mir vor. Genug ist genug! Das Vorhaben konnte nur einer Schnapsidee entsprungen sein!
Vielleicht kommt ja noch ein dritter Lkw aus dem Dorf, stelle ich mir vor. Dann hätte ich mehr Glück als Verstand. Seufzend packe ich und trete die Schneewanderung an. Wie lange ich wohl schieben muss? Komme ich überhaupt noch irgendwo heil und wohlbehalten an? Meine Spuren verschwinden schnell unter dem herabfallenden Schnee. Kaum bin ich einen halben Kilometer gelaufen, als ein Pick-up von hinten naht. Das Wunder geschieht! Ich winke und der Fahrer hält sofort an. Ich bin gerettet. Ich werfe Rad und Gepäck auf die leere Ladefläche. Bequemer kann das nicht sein!
Ein Sitz im Führerhaus ist noch frei. Ich quetsche mich zwischen eine Frau, die Frau des Fahrers, wie ich erfahre, und einen alten Tibeter, der seine Mantras murmelt. Der Fahrer ist achtunddreißig, seine Frau zweiunddreißig. Er redet und lacht viel und spuckt aus dem Fenster. Ein paar Kilometer weiter wird die Schneedecke dünner und füllt schließlich nur noch die Kuhlen der unsäglich schlechten Piste. Oft weisen nur ein paar Spuren über die Grasplanken der jetzt ansteigenden Hochebene den Weg. Dreimal brausen wir durch wadenhohe Flüsse. Eine Felsenkette zur Linken hängt in schmutzig grauen Wolken. Hin und wieder liegt ein tibetisches Anwesen in der Einöde. Der Fahrer hält in der Nähe eines Hauses an. Eine Frau und Kinder nähern sich, die Haare verfilzt, die Kleidung speckig vor Schmutz. Der kleine Junge steht in seinem zerlumpten Mantel ohne Mütze im Wind. „Pass auf deine Sachen auf!“, sagt der Fahrer. Diese Leute können alles gebrauchen. Sie kämpfen ums Überleben. Der Fahrer fragt die Frau etwas und wir fahren weiter.
Als es auf die Viertausendmetergrenze zugeht, japst der Motor. Er bockt und streikt bei kleinsten Steigungen. Noch vor der Kuppe bleibt das Fahrzeug stehen. Wir steigen aus und schieben. Der Motor springt an und der Fahrer fährt ein Stück voraus. Wir laufen hinterher, dem menschenfeindlichen Wetter preisgegeben.
Über ein schräges Zwischenplateau erreichen wir eine riesige Ebene. In einer klitzekleinen Siedlung besuchen wir eine befreundete Familie unseres Fahrers. Die Leute bitten uns in einen kleinen Raum mit gestampftem Erdboden und Lehmwänden. Wir setzen uns auf den Boden an den niedrigen, lang gezogenen Lehmofen. Die Frau des Hauses reicht uns Tsampa und Buttertee. Das Mehl auf dem Boden der Schale verrühren wir mit unseren schmutzigen Fingern mit dem Buttertee und stecken die Teigrolle in den Mund. Sie schmeckt mir. Die alte Frau mit dem freundlichen Gesicht dreht ununterbrochen ihre Gebetsmühle und lässt die Perlen ihrer Gebetskette durch die Finger gleiten. Trotzdem beteiligt sie sich an der angeregten Unterhaltung. Die beiden jungen Frauen sind sauber und hübsch, eine von ihnen cremt sich gerade ihr Gesicht ein. Nachdem wir uns aufgewärmt haben, verabschieden wir uns.
Die besser gewordene Piste folgt den Schwingungen der Landschaft. Strommasten ziehen sich durch das Gelände. Unser Fahrer fährt wie der Henker, prescht mit Vollgas über ein Schneefeld und – plops – die Eisdecke bricht. Wir stecken fest. Die Häuser Maqens sind zum Greifen nah.
Der Fahrer schlägt mit der Schüppe eine Rinne über den Weg, damit das Wasser abfließen kann. Der alte Tibeter und ich gehen ins Grasland und schleppen Steine herbei. Mit einem Wagenheber liftet der Fahrer die Hinterräder und legt Steine darunter. Die Frau, der alte Mann und ich schieben, was das Zeug hält. Aber wir sind nicht stark genug, der Wagen sinkt schon wieder ein. Aus Maquen naht ein Jeep, der sofort hält. Zwei Männer steigen aus, um zu helfen. Zwei Motorradfahrer kommen auch noch dazu und mit Hilfe der vier starken jungen Männer wird der Wagen schließlich befreit.
Durch ein chinesisches Tor fahren wir in die Stadt hinein. Zu beiden Seiten der breiten, geteerten Hauptstraße liegen niedrige, gekachelte Häuser. Der Fahrer hält an einer Spritzanlage an, um seinen Pick-up säubern zu lassen. Ich nehme meine Sachen, bezahle für die Fahrt und suche nach einer Unterkunft. In der Nähe eines zweiten chinesischen Torbogens finde ich das Hotel des Städtchens. Eine junge Frau lässt mich ein. Im Rezeptionsraum stehen Tische und Rohrsessel! Ein Kanonenofen bullert und strahlt wohlige Wärme aus. Die Zimmer liegen im ersten Stock. Das Hotel ist sauber, sogar die Bettwäsche strahlt blütenweiß. Auf dem Flur befindet sich eine Toilette mit Wasserspülung! Und was sehe ich? Eine Dusche! Abends um acht Uhr sei das Wasser heiß, sagt der junge Inhaber. Ich setze mich im Rohrsessel an den Ofen und die junge Frau schüttet pausenlos Tee in meine Tasse nach. Ihr Mann bereitet eine schmackhafte Mahlzeit zu: Omelett, Reis und Gemüse. Wie lecker das alles ist. Und am Abend wasche ich unter der Dusche die Dreckschicht von zwölf Tagen ab. Sauber und glücklich falle ich ins saubere Bett.
Die Sonne verschafft sich morgens Bahn, kann aber die Winterkälte zunächst nicht vertreiben. Erst am frühen Nachmittag erwärmt sich die Luft. Auf einem kleinen Markt in einer Seitenstraße sitzen Schuster, Schneider und Schlüsselmacher. Chinesen, Tibeter und die moslemischen Hui bewohnen den gesichtslosen Ort. Die schneebedeckten Felsenberge im Süden wirken eisig und riesig.
In der Waschanlage spritze ich „Tiger“ mit einem Volldruckschlauch ab, kaufe Proviant ein und probiere an einem Stand süßen Reiskuchen mit gebackenen Pflaumen. Auf dem Schotterhof der Herberge überprüfe ich mein Fahrrad. Eine Speiche des Hinterrads sitzt locker. Diesmal ist sie einfach anzuziehen. Ich schraube den Nippel an der Felge auf, zentriere das Rad und der Schaden ist behoben.
Die Besitzer des Hotels haben einen fünfjährigen Sohn. Sie machen einen glücklichen Eindruck. Er kocht, sie putzt. Sie ist patent und praktisch und hat alles, was ich wissen wollte, telefonisch herausgefunden. Ein Geldwechsel sei immer noch nicht möglich, mein Visum könne ich bei PBS (Public Security, Büro für öffentliche Sicherheit) verlängern lassen. Sie geht mit. Eine Polizistin bittet uns in ihr Büro und schreibt ihre Fragen in Englisch auf: Wohin ich wolle, etwa nach Dayi? Das sei geschlossenes Gebiet, für Ausländer gesperrt, aber sie würde mir einen Erlaubnisschein ausstellen! Nett, aber ich fahre nicht zurück. Ich erkläre, dass ich über Mantan nach Maqen gekommen sei und nicht über Dayi. Ja, das sei auch verboten, ob ich das wüsste. „Davon weiß ich nichts, und nun bin ich ja auch hier“, gebe ich kund. Sie drückt den Stempel für die Verlängerung des Visums in den Pass. „Macht hundertfünfundsiebzig Yuan!“, sagt sie. Ich falle fast vom Stuhl. So viele Yuan habe ich gar nicht mehr in der Tasche, nur in US-Dollar kann ich die Rechnung begleichen. Ich versuche, sie mit fünfzehn US-Dollar bei einem Kurs eins zu acht zufriedenzustellen, dann mit zwanzig US-Dollar. Sie kennt den Kurs und kann rechnen. Sie quetscht noch zwei weitere Dollar aus mir heraus und gibt mir glatt einen Yuan zurück!
Im Hotel richtet der junge Mann ein hervorragendes Abendessen für mich an: geschnetzelten grünen Salat mit Gehacktem und zwei Eiern. Dazu esse ich Brotfladen. Die leckere Mahlzeit ist die beste Stärkung für den vierhundertvierzig Kilometer langen Endspurt nach Xining. Die Wirtsleute versichern, dass die Straße von jetzt an asphaltiert ist. So will ich die Fahrt mit dem Rad fortsetzen, statt mit dem Bus.

Reisen durch Indien und Nepal - Reisebericht

Geschrieben von Super User. Veröffentlicht in Buecher

Die beschriebenen Reisen durch Indien und Nepal fanden in den Jahren 1981 und 2012/2013 statt. Spannend ist der Vergleich, wie und was sich im Laufe der Zeit geändert hat - und was nicht!

Leseprobe

In Indien:

082 Indien Varanasi Leseprobe

In diesem uralten Pilgerort am Ganges schlägt das Herz Indiens. Varanasi ist die Stadt des Lebens und des Sterbens, die Stadt der Toten und der Verbrennungsplätze am Ganges, der Andacht und der rituellen Waschungen. Die Engländer nannten sie Benares. Die Hindus nennen sie Kashi, die Stadt des Lichts. Hier verehren sie Shiva als Retter. Varanasi ist auch die Stadt der Seidenwebereien und des Brokats.

Andrea und ich finden in der Nähe der Ghats, der Treppenstufen zum Ganges hinunter, ein Hotel und ziehen in ein Dreibettzimmer ein. Wir befinden uns am Westufer und blicken der aufgehenden Sonne ins Angesicht. Das Ostufer ist flach, sandig und leer. Dort steht kein einziges Haus. Rund einhundert Ghats, zahlreiche Tempel, Schreine, Havelis, Hotels, Herbergen und Shops säumen auf unserer Seite über mehrere Kilometer den heiligsten Fluss Indiens, der die Göttin Ganga verkörpert.

Ganga floss einst als Milchstraße am Himmel. Bhagiratha, ein Asket, bat Ganga auf der Erde zu erscheinen, damit sie die Menschen von Sünden reinwasche. Nach Jahren des Bittens willigte sie ein, aber ihre Wassermassen drohten die Erde zu zerschmettern. Shiva wendete das Desaster ab. Er streckte seinen Kopf in die Fluten, um sie zu bremsen. Das Wasser teilte sich, floss die wilden Haarzotteln des Gottes entlang und die sieben heiligen Ströme Indiens entstanden: der Ganges mit der Yamuna, seinem wichtigsten Nebenfluss, der Godavari, Sarasvati, Narmada, Sindhu und Kaveri. Der zweitausendsechshundert Kilometer lange Ganges ist der heiligste.

083 Indien Varanasi Leseprobe

Die Stadt des Lichts ist für Hindus, was für Muslime Mekka ist. Hierher kommen sie, um sich von ihren Sünden reinzuwaschen. Glückselig ist, wer in Varanasi sterben darf. Er wird verbrannt und seine Asche in den Ganges gestreut. Er wird vom Kreislauf der Wiedergeburten erlöst, denn seine Seele wird eins mit Brahman, dem Urgrund des Seins, dem alles entspringt und zu dem alles zurückkehrt. Brahman bedeutet das Absolute, nicht mehr Darstellbare. Die unzähligen Götter im Hinduismus sind Aspekte ein und desselben. Aus Brahman entsteht Atman, der Atem, der Odem des Lebens. Atman ist das innere Licht im Menschen, seine unzerstörbare Mitte. Im Schöpfergott Brahma ist Brahman personifiziert. Während des Sterbens flüstert Shiva das befreiende Mantra in das Ohr des Sterbenden, glauben die Hindus.

Nach dem Mittagessen sitzen wir an den Ghats. Als es dämmert, sehen wir in der Ferne die Feuer der Verbrennungsstätten leuchten. Ein junger Inder führt uns dahin. Von der obersten Stufe der Ghats blicken wir über eine Mauer hinunter auf den Ort des Geschehens. „Über die Leichen der Frauen breitet man bunte, über die der Männer weiße Tücher“, sagt unser Führer. „Mittags um zwölf Uhr beginnt man mit den Verbrennungen. Sie dauern die ganze Nacht an“. Sechs Scheiterhaufen brennen gerade. Die Flammen lodern, die Funken sprühen, zwei in weiße Tücher gehüllte Leichen liegen am Ufer des Ganges zur Einäscherung bereit.

Mit großem Geschick leitet uns der Inder in eine der vielen Seidenfabriken, in denen die feinen Brokate Vārānasis hergestellt werden. Wir glauben an eine freundliche Einladung, als Tee gereicht wird. Im Nu breitet der Händler unzählige Saris vor uns aus. Der Preis richte sich nach der Anzahl der Farben und der Vielfalt der Muster, erzählt er uns. Schöne Arbeiten sind darunter. Aber kaufen? Wir sind unterwegs, der Rucksack ist schwer genug. Nach einer Weile lavieren wir uns höflich aus dem Laden heraus, ohne etwas gekauft zu haben, gucken dem Treiben an den Ghats zu und laufen durch die engen, schmutzigen Gassen. Ich bin erstaunt über den Schmutz in den Straßen. Die Ecken stinken. Unrat bedeckt den Boden, Gemüsereste, Papier, Asche, Schutt und Kehricht. Ist das etwa das indische Leben in Reinkultur?

092 Indien Varanasi Leseprobe

Die Bilder und Szenen an den Ghats sind malerisch, den offenen Verbrennungsstätten stehen wir mit gemischten Gefühlen gegenüber. Sie wirken befremdlich und wenig einladend auf uns mit unserer westlichen Mentalität. Mir erscheint die Atmosphäre düster und bedrückend, obwohl dieser berühmte Pilgerort gleichzeitig eine Faszination ohnegleichen ausströmt.

Am Sonntagmorgen klingelt der Wecker um halb sechs. Wir stehen auf, um die Waschungen der Hindus an den Ghats zu beobachten. In der Dunkelheit ist nicht viel los, aber die Treppenstufen füllen sich langsam. An Ständen kaufen Männer und Frauen Seife, Farbpuder, Blütenblätter und alles, was sie für ihre Rituale benötigen. Prächtig geht die Sonne über dem Ganges auf und taucht den Fluss, die Ghats, Tempel, Häuser und Menschen in goldenes Licht. Ihr Glanz verdrängt das Unbehagen, das die Seele manch eines westlichen Besuchers angesichts der vielen fremdartigen Eindrücke erfasst. Varanasi erstrahlt.

093 Indien Varanasi Leseprobe

Wir mieten uns ein Ruderboot für eine Stunde und schippern los. Vom Wasser aus sehen wir dem Treiben der Menschen zu. Die Gläubigen opfern Blumen und Weihrauch, sie schreiten hinunter in die schmutzigen Fluten, tauchen unter und vollführen ihr rituelles Bad. Sie waschen ihre Kleider und trinken andächtig das heilige Wasser, in dem der Unrat der Stadt schwimmt. Sie haben keine Angst, krank zu werden. Die Macht des Glaubens ist offensichtlich stärker als die Kolibakterien, die das Wasser verseuchen, die Kraft des Geistes bändigt das Stoffliche.

Unser Bootsführer ist lahm und hat keine Lust, zu den Verbrennungsplätzen zu rudern. Wir handeln eine zusätzliche halbe Stunde aus und nähern uns den Scheiterhaufen. Auch von weitem ist das Fotografieren dieser Plätze kaum möglich. Ein Wächter schreit, als ich die Kamera hebe. Nur gegen ein Bakschisch dürfe ich die Szenen im Bild festhalten, meint der Bootsführer. Eingehüllte Leichen liegen im lodernden Feuer oder neben den aufgeschichteten Holzstößen. Wir halten freiwillig Abstand. Uns reicht es, das Schauspiel aus der Ferne zu sehen. Wir lassen uns an einem der Ghats absetzen und stürzen uns ins Menschengewühl. Auf jeder Treppenstufe sitzen Bettler und strecken ihre Hände aus. Sie kommen aus ganz Indien und hoffen auf die Freigebigkeit der Gläubigen, die sich gerade im Ganges von ihren Sünden reingewaschen haben.

085 Indien Varanas Leseprobe

Dreißig Jahre später liegt Varanasi wieder auf meinem Weg. Als ich am Morgen von Nepal nach Indien einreise, finde ich einen Taxifahrer, der gerade Touristen von Varanasi zur Grenze gebracht hat. Er ist froh, wenn er nicht mit leerem Wagen zurückfahren muss. Wir handeln einen Preis von achthundert Rupien aus, etwa zwölf Euro. (1 Euro = 68 indische Rupien). Unterwegs steigen Leute zu und wieder aus. Bei der Ausfahrt aus Gorakhpur stehen wir mindestens eine Stunde im Stau. Auf freier Strecke gibt der Fahrer Gas. Er fährt sehr umsichtig. Mit seinem schneeweißen Toyota geht er extrem pingelig um. Schlaglöcher durchfährt er langsam, um die Stoßdämpfer seines Autos zu schonen. Er habe zwei Söhne und eine Tochter, erfahre ich. Um siebzehn Uhr erreichen wir nach zehnstündiger Fahrt Varanasi. Er hinterlässt mir seinen Namen und seine Telefonnummer und organisiert eine Fahrradrikscha für mich, die mich zum Alka-Hotel am Mir-Ghat bringen soll. Sechsunddreißig Stunden habe er nicht geschlafen, meint er mit roten, müden Augen.

Ich steige um in die Rikscha und der ergraute Mann tritt mit seinen dünnen Beinen in die Pedale. Ist gerade Rush Hour oder sind die Straßen immer so voll? Im tosenden und wogenden Verkehrsgetümmel schalte ich das Denken ab und versuche mich zu entspannen. Dieser bunte Strom von Autos, Motorradfahrern, Rikschas, Scootern, Fußgängern und Tieren wird uns zerquetschen. Mein Fahrer fährt millimetergenau an anderen Fahrzeugen vorbei. Immer wieder stehen wir im Stau, es geht nicht vor und nicht zurück. Hupen, Klingeln, Motorbrummen und Stimmengewirr füllen meine Ohren. In stoischer Ruhe steht ein schmutziger Hund am Straßenrand und kratzt sich. An einer anderen Stelle versucht ein Hirte seine Herde Kühe mit Gepfeife zusammenzuhalten. Und dann geht es schließlich gar nicht weiter. Wir stehen. Mein Fahrer weiß gar nicht, wo sich das Alka-Hotel befindet. Er fragt einen jungen Inder. Der meint, nur zu Fuß käme ich weiter. Die Gassen seien zu eng für eine Rikscha. In fünf Minuten wäre ich im Hotel, er würde mich führen. Ich steige aus, er läuft voraus. Ich renne schwitzend hinterher. Einige Gassen liegen dunkel, andere sind erleuchtet von dem Licht glänzender Shops, in denen man Seide und Brokat verkauft. Und dann sind wir nach etwa fünfzehn Minuten endlich am Ziel! Der Junge hat mir einen riesigen Freundschaftsdienst erwiesen. Den ganzen Tag über hatte ich Glück. An der Grenze wurde ich freundlich empfangen, ein Mann half mir beim Geldumtausch und verwies mich auf den netten Taxifahrer. In einer zerbrechlichen Rikscha überlebte ich das bedrohliche Chaos auf Varanasis Straßen und jetzt bin ich am Ziel. Im Alka-Hotel bekomme ich im ersten Stock ein Zimmer mit Bad. Durch das vergitterte Fenster blicke ich hinunter auf den dunklen Ganges und hinauf zu den Sternen. Willkommen in Indien!

Schon um vier Uhr in der Nacht bimmelt eine Glocke und jemand begrüßt den heraufziehenden Tag mit seinem Flötenspiel. Zum Sonnenaufgang gehe ich hinunter zu den Ghats. Ruder- und Motorboote liegen für die Touristen am Ufer. Auf Schritt und Tritt spricht man mich an: „Boat? You want a boat? Madam, boat?“ Nein, Madam möchte kein Boot, später in den Gassen auch keine Seide, keinen Scooter und keine Rikscha.

084 Indien Varanas Leseprobe

Gläubige waschen sich im Ganges, steigen ins Wasser, die Männer in Unterwäsche, die Frauen in ihren Saris. Sie tauchen unter und heben ihre Hände zum Gebet. Sie glauben an die Heiligkeit des Wassers, füllen es in Flaschen und Kannen, trinken es aber nicht mehr wie vor dreißig Jahren. Sie gießen es auf Blumen und die kleinen Statuen in den Schreinen. Sie huldigen der Göttin Ganga und setzen Öllichter ins Wasser. Priester auf Podesten sitzen unter zerfledderten Sonnenschirmen, lesen in den heiligen Büchern und tupfen den Gläubigen für zehn Rupien die Thika, den roten Punkt auf die Stirn, das Zeichen dafür, dass sie ihre Morgenandacht verrichtet haben. In Erwartung einer Spende winken sie auch Touristen zu. Sadhus in orangefarbenen Tüchern, das Gesicht grell bemalt, erheben segnend ihre Hände.

094 Indien Varanasi Leseprobe

Auf den oberen Treppenstufen stehen Schreine. In einem Meer von Studentenblumen entdecke ich Hanuman, den Affengott, und Ganesha, den beliebten Elefantengott, der Hindernisse beseitigt und hilft, Probleme zu lösen. Am Asi-Ghat, dem südlich gelegenen Endpunkt der kilometerlangen Treppenfluchten, stehen rund um einen Feigenbaum auf tischhohem Absatz mehrere Lingams, dazwischen kleine Statuen des Nandi-Stiers. Blumen, Blütenblätter, grüne Blätter, Pflaumen und Äpfel liegen verstreut dazwischen. Eine Ziege steht auf dem Altar und labt sich an all den Köstlichkeiten, die den Göttern zugedacht waren. Niemanden stört es.

Unter der Schicht des Lichten und Erhabenen liegen der Schmutz und der Dreck, auch an den Ghats. Viele Ecken stinken nach Urin. Abfall liegt herum. Während des Monsuns muss der Ganges über seine Ufer getreten sein. Meterhohe Erdschichten füllen noch einige Ecken der Ghats. Männer spritzen sie mit zischendem Strahl aus dicken Wasserschläuchen langsam aber sicher weg. Das benötigte Wasser wird aus dem Ganges hochgepumpt.

086 Indien Varanasi Leseprobe

In den Gassen geht es zu wie vor dreißig Jahren. Seiden- und Brokat-Shops reihen sich aneinander, in einem Kosmetikladen stehen die Regale voll mit wohlriechenden Ölen und Parfumflaschen. Westliche Produkte gibt es jetzt zu kaufen, Gesichtscremes, Seifen, Körpermilch und Deostifte. Dazwischen liegen Kodakfilme und Batterien. Händler verkaufen in ihren Kramläden Mehl, Zucker, Getränke und Gemüsedosen, in kleinen Restaurants gibt es Currys mit Chapati und in der German Bakery dunkles Brot, Omelett, Milchkaffee und Käsekuchen. Internetcafés sind entstanden. An einer Hausecke verkauft ein Mann die golden eingerahmten Fotografien verwelkter Männer- und Frauengesichter, die verstorben sind. An einer anderen kann man die Bildnisse des Gottes Shiva und seiner Gefährtin Parvati erstehen. Ziegen stöbern in stinkenden Abfallhaufen herum. Kühe stehen im Weg, nehmen fast die gesamte Breite an engen Stellen ein und die Passanten drücken sich daran vorbei. Wenn das Tier bloß nicht mit seinem Schwanz um sich schlägt!

Am Eingang des Basarviertels werden Teigtaschen in heißem Öl frittiert. Große Eisenschalen hängen über lodernden Flammen in den Öffnungen der Lehmöfen. Nebenan wird Milch über einem Holzfeuer abgekocht. Ein durchlöchertes Eisenfass dient als Ofen.

Varanasi ist eine faszinierende Welt, die alle Seiten des Daseins umfasst, die Götter, die Altäre, Schreine, Tempel, die Gläubigkeit der Menschen auf der einen Seite, auf der anderen das Profane, die Shops, den Profit, das Geld, die Gier, Kühe, Ziegen, die Abfallhaufen und die Schmeißfliegen darauf. 

088 Nepal Everest Wanderung Leseprobe

In Nepal: Die meisten Trekker steigen zum Everest Base Camp auf. Dieser Völkerwanderung möchte ich mich nicht anschließen und entscheide mich für das Dudh-Kosi-Tal, das zum Fuße des achttausendzweihundert Meter hohen Cho Oyo führt und zum Ngozumpa-Gletscher, dem größten Nepals. Vom über fünftausenddreihundert Meter hohen Aussichtspunkt oberhalb des Sommerdorfes Gokyo soll man das Dreigespann Everest, Nuptse und Lhotse erblicken.

Hinter dem kleinen Kloster von Namche Bazar führt der Pfad steil den Hang an Gebetsfahnen vorbei hinauf nach Shyangboche. Ein Flugzeug am Himmel wirkt wie ein Vogel vor den riesigen Gebirgszügen. Eine hohe Tschörte krönt den Bergrücken und dahinter ragen die Schneeberge des Himalajas auf. Der Götterberg Ama Dablam erhebt sich wie ein dicker Daumen in den stahlblauen Himmel. Das „Matterhorn“ Nepals ist so markant wie der Machhapuchhare im Annapurna-Massiv. Mein Weg führt durch Khumjung, die größte Streusiedlung im Sherpaland, an langen Mani-Mauern und Tschörten vorbei hinab nach Phortse im Dudh-Kosi-Tal. Anstatt die Brücke nach Phortse zu benutzen, gehe ich geradeaus. Der Weg ist von dicken Felsbrocken, moosbehangenen Rhododendren, Magnolien und Wacholderbäumen, gesäumt. Wolken sind aufgezogen. Die Landschaft macht einen wilden Eindruck. Die Schneeberge, die noch kurze Zeit durch die Wolken lugen, sind zum Greifen nahe und wirken wie eine Erscheinung, gewaltig und unwirklich.

091 Nepal Everest Wanderung Ama Dablam Leseprobe

Die Sommerdörfer auf den Hochplateaus bestehen aus vereinzelt stehenden Steinhütten, die im Sommer bewohnt werden, wenn die Leute ihre Yaks zum Grasen auf die kargen Weiden schicken. Steinwälle begrenzen die kleinen Grasstücke. Gersten- und Kartoffelfelder breiten sich neben den Weiden aus.

Es ist neblig geworden und nasskalt. Die Steinhütten, an denen ich vorbeikomme, stehen leer. „Namaste! Guten Tag!“ Ich öffne eine Tür und stehe in einem Stall. Mich schaudert, wenn ich daran denke, im Freien übernachten zu müssen. Ein Flüsschen kreuzt den Weg. In dem dichten Nebel kann ich nicht erkennen, wo es auf der anderen Seite weitergeht. Ratlos verharre ich auf meinem Fleck, umhüllt von Wolkenschwaden, die die Welt verschluckt haben. Wie ein Wunder taucht eine Gestalt hinter mir auf, ein Jugoslawe. Er überquert mit mir den Fluss und bringt mich zu einer fünfzig Meter entfernten Hütte. Acht Trekker drängen sich schon um die Feuerstelle. Ich solle weitergehen, meinen sie, in der Nähe gäbe es einen Tea-Shop, in dem ich übernachten könne. Für mich ist es ein Ding der Unmöglichkeit, in diesem Nebel einen Tea-Shop zu finden. Keine zehn Pferde können mich mehr vertreiben.

Die Hausfrau bereitet für uns die Abendmahlzeit zu. Bester Laune, trotz der erbärmlichen Kälte, die in der staubigen Steinhütte herrscht, stürze ich mich heißhungrig auf Dhal Bat und schlürfe genießerisch den heißen Tee, den sie uns serviert. Ich befinde mich im Sommerdorf Dole in fast viertausend Meter Höhe.

090 Nepal Everest Wanderung Gokyo Tal Leseprobe

Sechs Stunden Fußmarsch trennen mich von Gokyo, einem Sommerdorf, das am Ende des Tals liegt. Um mich besser zu akklimatisieren, will ich an einem Tag nur dreihundert bis vierhundert Höhenmeter aufsteigen und in Luza oder Machermo übernachten. So habe ich viel Zeit, um mir immer wieder die gewaltige Landschaft anzugucken.

In Machermo steht eine Hütte offen. Ich trete ein und komme gerade richtig, um eine Nudelsuppe mitessen zu können. Ein Holländer und zwei Deutsche haben sich häuslich niedergelassen. Ich setze mich dazu. Im Laufe des Nachmittags wird es bitterkalt. Die Hütte besitzt keinen Schornstein und der Rauch des Feuers treibt uns die Tränen in die Augen. Vermummt in Anorak und Mütze klettere ich nachts in den Schlafsack und friere immer noch. Draußen und drinnen herrschen Minustemperaturen.

Das morgendliche Aufstehen in den Steinhütten vollzieht sich nach einem bestimmten Ritual: In der Dämmerung entfacht die Frau des Hauses das Feuer und kocht Tee. Wenn der fertig ist, können wir es wagen, die Nase aus dem Schlafsack zu stecken. Einer nach dem anderen steht auf, greift zum Tee und wärmt die kalten Finger an der Blechtasse. Jeder schlürft den heißen Tee und zittert sich warm. Manchmal bringt die Frau das dampfende Getränk an den Schlafsack. Das ist dann der erste Höhepunkt des Tages und unsere Dankbarkeit kennt keine Grenzen.

Heute Morgen ist es bewölkt. Es dauert eine Weile, bis ich mich warm gelaufen habe. Vor mir ragt der gut achttausendeinhundertfünfzig Meter hohe Cho Oyu auf, hinter mir der fast sechstausendachthundert Meter hohe Kantega im Süden. Die Baumgrenze ist überschritten. Der Aufstieg durch die Endmoräne des Ngozumpa Gletschers nach Gokyo beginnt. Ich merke die dünne Luft.

Der Fluss sucht sich seinen Weg durch die Geröllmassen und stürzt zu Tal. Der steinige Pfad führt am ersten türkisgrünen See vorbei. Er leuchtet im Grau der Gesteinsmassen auf. Vor einer Felswand kreist ein Riesenvogel, ein Adler. Schließlich der zweite See unterhalb einer schroffen Felswand und einer Handvoll Hütten, Gokyo. Trotz der Sonne, die durchgekommen ist, überwiegt die Kälte. Aus einer Hütte steigt Rauch auf, sechs Trekker sitzen um die Feuerstelle. Einige haben draußen ihre Zelte aufgeschlagen.

Gokyo liegt viertausendsiebenhundertfünfzig Meter hoch. Zu sieben Personen schlafen wir nachts dicht an dicht in der engen Hütte. Es geht soeben. Mehr Leute fänden keinen Platz. Es ist wärmer als in den zwei vorausgegangenen Nächten, dennoch liege ich mit voller Bekleidung im Schlafsack, die Mütze über die Ohren gezogen, eingemummt in Pullover und Anorak. Die Kälte schlägt auf die Blase. Mit großer Überwindung zwinge ich mich jede Nacht aus der Kälte des Schlafsacks in die noch größere Kälte draußen. Dann blicke ich hinauf in einen sternübersäten Himmel. Wie nah die Sterne sind! Doppelt so viele wie gewöhnlich zeigen sich. Ein Lichtermeer glitzert am tiefschwarzen Firmament. Am Morgen bringen unsere Gastgeber den köstlichen Tee an den Schlafsack. Ein erstklassiger Service! Solch schöne Erlebnisse wird man niemals in einem Luxushotel haben!

Der Himmel ist mit Schneewolken verhangen. Ein Aufstieg zum Aussichtspunkt lohnt sich nicht. Einem Kanadier kaufe ich ein Brot ab und frühstücke in aller Ruhe. Ich bin drauf und dran, faul am Feuer sitzen zu bleiben, raffe mich aber zu einem Spaziergang auf und erklettere einen Hügel hinter Gokyo. Plötzlich fällt der Hang senkrecht vor mir ab: Unter mir breiten sich die Gletschermassen aus und füllen das Tal kilometerweit mit Schutt, Geröll, Staub, Schnee und Gletscherspalten. Ich hocke mich an die Kante und höre Steine in die Tiefe poltern. In der Totenstille wirken die Geräusche gespenstisch. Der bedeckte Himmel passt zur Wildheit dieser Szene. Ein fahlgelbes Wiesel huscht an mir vorbei. Wir beiden scheinen die einzigen Lebewesen weit und breit zu sein. Durch Geröll und Felsen steige ich nach Gokyo ab. Es gibt eine Nudelsuppe mit Kartoffeln. Ein Deutscher und eine Engländerin sind eingetroffen, mit Utz, einem Schweizer spiele ich Schach. Den Rest des Tages sitzen wir an der qualmenden Feuerstelle und reiben uns die tränenden Augen.

089 Nepal Everest Wanderung Mount Everest Leseproe

Am nächsten Morgen lacht die Sonne. Nach dem Frühstück nehme ich den Aussichtshügel in Angriff. Langsam, langsam! Die Lunge pfeift, der Schritt wird schwer. Die letzten Meter bereiten mir die größte Mühe. Immer wieder bleibe ich stehen, um die dünne Höhenluft in die Lungen zu pumpen. Endlich geschafft. Fünftausenddreihundert Meter! So hoch war ich noch nie im Leben. Und vor mir der höchste Berg der Erde, ein Dach aus Schnee und Eis. Davor steht der Lhotse neben dem Nuptse. Der Cho Oyu schließt das Tal ab, der Makalu erhebt sich im Osten. Der Cholatse in nächster Nähe imponiert mir am meisten. Er besteht aus einer schneebedeckten Felskante, die den blauen Himmel durchschneidet. Unten im Tal liegen die smaragdgrünen Seen und das Sommerdorf Gokyo am mächtigen Gletscherstrom, der sich ins Tal hinunter schiebt.

Die Kälte und ein brennender Durst treiben mich nach Gokyo zurück... 

Über die Autorin

Geschrieben von Super User. Veröffentlicht in Buecher

Mechthild Venjakob: 

108 Guiyang

Mechthild Venjakob, am 29. April 1943 in Paderborn geboren, war 15 Jahre als Lehrerin im Schuldienst tätig. In den 1970er Jahren verbrachte sie als Auslandsschullehrerin zwei Jahre in Quito, der Hauptstadt Ecuadors.

Dort fauchte sie in den Ferien mit ihrem VW-Käfer durch die Anden Südamerikas, durch Peru, Bolivien, Chile, Argentinien und Kolumbien. Sie kehrte nach Deutschland zurück, unterrichtete noch fünf Jahre im Ruhrgebiet, kündigte den Schuldienst 1981 und löste ihre Wohnung in Deutschland auf, um sich die nächsten 20 Jahre ausschließlich dem Reisen zu widmen. 

Sie hielt sich überwiegend in asiatischen Ländern auf, aber auch in Australien, Neuseeland, den Vereinigten Staaten, Mittelamerika und Europa. Doch Asien mit seinen alten Kulturen und östlichen Weisheiten erkundete sie am intensivsten. Sie verbrachte insgesamt zehn Jahre in Asien.

Hilfsarbeiten in Australien, Neuseeland, Alaska, Colorado und England halfen ihr in den ersten zehn Jahren ihres Reiselebens über die Runden. In Australien und Neuseeland pflückte sie Birnen, Äpfel und Kiwis im Akkord.

Sie säuberte Tonnen von Fisch auf einer fernen Aleuten-Insel in Alaska, arbeitete in einem Warenhaus in San Francisco, putzte die Häuser der Reichen in Aspen/Colorado und stand in Südengland zwölf Stunden täglich am Fließband einer Gasmaskenfabrik. Dann unterrichtete sie Deutsch als Fremdsprache an Instituten in Bremen und Hongkong und 1997 an der Chung-Ang-Universität in Ansong in Südkorea. 

Seit 1989 reiste sie überwiegend mit dem Fahrrad und machte mehrmonatige oder ganzjährige Radtouren in den USA und Südeuropa. 1994 eroberte sie mit dem Fahrrad den Karakorum Highway, der über den 4700 Meter hohen Khunjerab-Pass von Pakistan nach China führt. In den darauffolgenden Jahren trieb es sie immer wieder durch das Reich der Mitte, von Süden nach Norden und zurück nach Hongkong.

Drei große Asien Reisen Touren führten sie über die Schotterpisten des tibetischen Hochlandes und über einen 5200 Meter hohen Pass im Anyemaqen-Gebirge, einem Ausläufer der Kunlun-Kette.

Das Jahr 2000 wurde ihr letztes großes Reisejahr. Sie war nun 57 und sehnte sich nach einem festen Wohnsitz. Mit „Tiger“, ihrem Drahtesel, radelte sie durch Thailand, Laos und China, immer Richtung Norden. Sie durchquerte die Innere Mongolei auf chinesischer Seite und dann die Wüste Gobi in der Mongolei bis Ulan Bator.

Weil die Visaregelungen für Russland einer Tausende Kilometer langen Radtour feindlich im Wege standen, nahm sie den Schmuggelzug von Ulan Bator nach Moskau und setzte von dort aus ihre Radtour fort. Über St. Petersburg erreichte sie die Baltischen Staaten, reiste durch Polen und traf Ende September 2000 in Deutschland ein.

Ein großartiges Nomadendasein ging zu Ende; sie wurde sesshaft und ließ sich in ihrem Geburtsort Paderborn nieder, um ihre Reiseberichte zu schreiben und über ihr Leben nachzudenken, das fantastischer war als ein Traum, den manch einer träumt.

Sie bereiste Europa, die Vereinigten Staaten, Mittelamerika, Australien und Neuseeland, doch Asien mit seinen alten Kulturen und östlichen Weisheiten erkundete sie am intensivsten. Dort verbrachte sie insgesamt zehn Jahre. 1989 stieg sie aufs Fahrrad und radelte durch die USA, Europa und Asien.

Mehrmonatige Asien Reisen führten sie durch Japan, Indien, Thailand, Laos, Pakistan und mehrere Male trieb es sie durch China. Im Jahr 2000 kehrte sie über Land von Laos nach Deutschland zurück. Sie ließ sich in ihrem Geburtsort Paderborn nieder, um ihre Reiseberichte zu schreiben und über ihr Leben nachzudenken, das fantastischer war als ein Traum, den manch einer träumt.

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Heilige Stätten in Tibet - Reisebericht

Geschrieben von Super User. Veröffentlicht in Buecher

Nach Unruhen im gesamten tibetischen Kulturraum im Olympiajahr 2008 flog ich mit Erika Nerb, einer alten Reisebekanntschaft, im Sommer 2009 von Chengdu, Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan, nach Lhasa. Trotz verschärfter Einreisebestimmungen für Ausländer überwanden wir alle Hürden, besuchten Klöster und heilige Seen und erlebten den Kailash, das „Schneejuwel“ der Tibeter, als Krönung unserer Reise.

 

Leseprobe: 

076 Tibet bearbeitet 1

Grauer Tag, graue Piste, graues Land! Die Pfützen spritzen hoch auf, wenn Gyeltsen hindurchprescht. An einem Weiher in der Ferne entdecken wir Schwarzhalskraniche. Mit stolz erhobenem Haupt stehen oder schreiten sie über die Hochfläche, ein Symbol langen Lebens. Wir folgen einem endlos langen Flusstal, bis wir einen Pass hinaufholpern, hinter dem der Grasteppich aufhört und sandiges Terrain beginnt. Drongpa liegt weit von der Piste entfernt am Rande einer riesigen Hochebene, die sich flach wie ein Tisch nach allen Seiten hin ausbreitet.

077 Tibet

Die Sonne durchbricht die Wolken und die Welt ist nach dem trübseligen Morgen wieder licht und hell. Sichelförmige Dünen durchziehen das Land, einige sind hoch und stattlich und dehnen sich aus, makellos geformt vom Wind. Dahinter zeigen sich dunkle Höhenzüge, deren Gipfel und Kämme unter einer Schneekappe liegen, der Himalaja. Ein Schauspiel für sich sind die schneeweißen Wolkengebilde, die in den tiefblauen Himmel quellen. Sie plustern sich dick auf, ewigem Wandel unterworfen. Ziegen, Schafe und Yaks zeichnen sich als zwergenhafte Flecken in der spärlich mit Grasbüscheln bewachsenen Ebene ab.

80 Tibet

Wir erreichen Paryang, ein tibetisches Dorf, das aus Lehmhäusern, Erdstraßen und Erdplätzen besteht. Im Tashi-Hotel, einer Herberge, gehen wir essen. Eigentlich wollten wir hier übernachten, doch es ist erst vierzehn Uhr. Obwohl Gyeltsen müde aussieht, holpert er noch sechzig Kilometer über die Rumpelpiste bis zu einer klitzekleinen Siedlung an einem Fluss. Sie besteht aus einem Haus und Hauszelten, in denen Pritschen zum Übernachten stehen. Wir ziehen das Wohnzimmer des Hauses vor. Podeste ziehen sich rund ums Zimmer, sie dienen zum Sitzen und Schlafen. In der Ecke auf einem Regal befindet sich der kleine Hausaltar. In der Mitte des Raums bullert der Ofen, die Thermoskannen sind mit heißem Wasser oder Buttertee gefüllt. Eine Toilette gibt es nicht, wir gehen hinaus aufs Feld und suchen uns ein Plätzchen unter dem weiten, tibetischen Himmel. Das Gelände rund um die Siedlung ist mit Unrat bedeckt, mit Dosen, Plastikflaschen, Pappe und Papier. 

081 Tibet

Wir waschen uns im Fluss, putzen uns die Zähne, stecken die Füße ins Wasser und gehen dann ins Haus. Die Familie schlachtet ein Schaf und bereitet eine Suppe mit Schafsfleisch und Nudeln zu. Mir dauert das zu lange, ich esse eine Fertigsuppe und verkrieche mich am Ende des Raums in eine Ecke zum Schlafen. Die Familie, Nachbarn, Erika, Gyeltsen und Pasang tagen noch lange. Um halb elf am Abend macht der Hausherr das von Generatoren gespeiste Licht aus. Ein Butterlämpchen brennt die ganze Nacht auf dem Hausaltar vor dem Bildnis Buddhas. Alle legen sich auf dem Podest schlafen. Bevor sich die Hausfrau zur Ruhe begibt, geht sie mit brennenden Räucherstäbchen zu jedem hin, schwenkt sie über den Köpfen und nebelt jeden von uns mit Weihrauch ein, um uns zu segnen, die bösen Geister, aber auch das Ungeziefer aus den Schlafdecken zu vertreiben. 

078 Tibet

In der Nacht hat es geregnet, die Spitzen der Berge sind schneebestäubt. Die Luft ist feucht und kalt. Wieder einmal passieren wir einen Checkpoint und Pasang verschwindet mit unseren Papieren im Gebäude. Ein vom Brahmaputra gespeister See kommt in Sicht. Seine Wasseroberfläche erscheint unter dem grauen Himmel dunkel wie die Nacht. Kraniche und Gazellen verlieren sich im weiten Land. Gyeltsen müht sich einen fast fünftausenddreihundert Meter hohen Pass hinauf. Jenseits dieser letzten Hürde liegt das heilige Land mit dem Kailash und dem Manasarovar-See.

79 Tibet

Wir fahren den Pass hinab. Gebetsfahnen bedecken ein kreisförmiges Fleckchen Erde zu Ehren des heiligen Sees. Wir umfahren die Stelle dreimal im Uhrzeigersinn und steigen aus. Pasang und Gyeltsen werfen sich zur Erde nieder. Für einen Augenblick blinkt und gleißt der See in einem Sonnenstrahl auf, dann liegt seine Wasseroberfläche wieder grau in der dunstigen Luft des Tages. Der Kailash lässt sich nicht blicken, er versteckt sein Angesicht in den Wolken.

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