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Unterwegs

Unterwegs in Australien, Neuseeland, den USA, Mexiko und Guatemala: Geschichten vom Wandern, Trampen und Jobben

097 Australien Kata Tjuta die Olgas

Australien, Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark

Australien

Der Stuart Highway führt von Port Augusta nach Darwin. Er ist 2843 Kilometer lang und benannt nach dem schottischen Entdecker John McDouall Stuart. Als erster Europäer durchquerte er 1862 Australien von Süden nach Norden. Für den Hinweg brauchte er neun Monate und für den Rückweg fünf. Obwohl man heute wesentlich schneller vorwärts kommt, ist die Reise immer noch ein Abenteuer. Nur etwa alle zweihundert Kilometer gibt es Siedlungen, Tankstellen und Restaurants. Alice Springs im Herzen Australiens ist mit weniger als dreißigtausend Einwohnern die größte Stadt auf dem Weg in den Norden.

Wir stehen nicht lange an der Straße, als ein junger Pkw-Fahrer anhält. Er führe schnurstracks durch bis Ayers Rock, sagt er. Das ist unglaublich! Wie problemlos das Trampen in Australien ist! Es scheint normal zu sein, Hunderte von Kilometern in einem Wagen zu sitzen. Auf dem Rücksitz liegt viel Gepäck. Ich wäre bereit, mich daneben zu quetschen, aber Lisa möchte mit einem Lkw fahren. „Warum denn? Wir haben einen durchgehenden Wagen! Solch eine Gelegenheit sollten wir uns nicht entgehen lassen“, sage ich, „ich fahre auf jeden Fall mit dem jungen Mann!“ Lisa fühlt sich in einem Lkw sicherer und lässt sich nicht umstimmen. Sie geht und ich nehme neben Jack, dem Fahrer, Platz. Die Reise in die Tiefe des Landes beginnt.

Nach vierhundert Kilometern ist die Teerdecke zu Ende und eine Schotterpiste beginnt. Sie ist in gutem Zustand und Jack stiebt durch die Wüste. Eine Staubwolke quillt auf, die hinter uns herzieht und sich auf Piste und Gräser senkt. Wir durchfahren Coober Pedy, der Welt größtes Abbaugebiet für Opal. Wegen der Hitze wohnen die Bergleute in Dugouts, in unterirdischen Wohnungen, die sie ins Erdreich graben. „Die Luft da unten ist bei angenehmen Temperaturen von fünfundzwanzig Grad Celsius das ganze Jahr über trocken und es ist still“, sagt Jack. Leider gucken wir uns nicht um. Die Sonne geht unter und hinter Coober Pedy halten wir an für die Nacht. Ich schlafe im Zelt am Straßenrand und Jack im Wagen.

Bei Sonnenaufgang bereite ich auf meinem Benzinkocher heißes Wasser zu. Nach einer Tasse Kaffee brechen wir auf. Wir fahren weiter durch dieses helle Land, das mir uralt, unergründlich und zeitlos erscheint. Nur wenige Pflanzen quälen sich durch den trockenen, festen Boden. Manchmal sehen wir Kängurus, Adler und dicke Krähen. An einer der wenigen Tankstellen am Wege tanken wir und bestellen im kleinen Restaurant nebenan Sandwiches und Mineralwasser. Nach dieser kurzen Rast steigen wir in den Wagen und fahren weiter auf den Horizont zu. Für Hunderte von Kilometern ist die rötliche Wüste flach. Gräser und dornige Büsche schimmern grün. Die Straße zieht sich schnurgerade durch eine gleichförmige Landschaft, aus der die ganze Welt zu bestehen scheint. Mir wird es nicht langweilig. Ich halte Ausschau nach Besonderheiten. Einmal zeigen sich Dingos in der Ferne, die wilden Hunde der Wüste, dann stolzieren Emus durchs Gelände. Das immense Ausmaß der Ebene lässt ein Gefühl der Faszination aufkommen. Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Tagelang könnte ich weiterfahren.

098 Neuseeland Suedinsel Okarito Lagune Tasman See

Neuseeland, Südinsel, Okarito

Neuseeland

Ein Stückchen nördlich des Franz-Josef-Gletschers biege ich anderntags von der Hauptstraße ab und erreiche nach dreizehn Kilometern Okarito, ein Örtchen am Meer. Der Fahrer setzt mich an der kleinen Jugendherberge ab, die von einer Handvoll Häusern umgeben ist. Die Siedlung liegt zwischen dem Meer und einer Lagune. Zwanzig Einwohner leben hier ständig. Dabei war Okarito zu Zeiten des Goldrausches im 19. Jahrhundert die drittgrößte Hafenstadt an der Westküste mit mehr als viertausend Einwohnern. Es gab Hotels, Geschäfte und Läden, damit die vielen Goldschürfer versorgt werden konnten. Segelboote starteten von hier aus ihre lange Reise nach Australien. Als der Goldboom vorbei war, verließen die meisten Menschen Okarito. Ein paar Fischer blieben und hatten den Hafen von jetzt an für sich allein.

Die Lagune ist ein Vogelparadies, die Heimat des seltenen Silberreihers und des vom Aussterben bedrohten braunen Kiwis. Die Neuseeländischen Alpen in der Ferne mit den höchsten Bergen Neuseelands bilden die Kulisse dieser abseits gelegenen Idylle. Eine Stunde lang laufe ich über die Klippen durch den Wald zur zweiten Lagune „Three Miles“. Es ist Ebbe und ich wandere am Strand zurück. Die Küste ist felsig. Seehunde liegen auf den Steinen oder robben ins Wasser.

In der kleinen Jugendherberge sitzen die Gäste am offenen Feuer und hängen ihren Kochtopf in die Flammen. Die ersten zwei Nächte teile ich mir die Hütte mit Kathy, einer Neuseeländerin. Wir legen Kartoffeln in die Glut, wenden sie, stochern in der Asche herum und gucken zu, wie sie gar werden. Dann spießen wir sie auf die Gabel, bestreichen sie mit Butter und füllen sie mit Käse. Ein köstlicheres Mahl gibt es auf der ganzen Welt nicht! Tagsüber suchen wir am Strand nach Treibholz. Es ist spröde und lässt sich leicht brechen. Vom Wind getrocknet, speist es knisternd und knackend unser Kaminfeuer. Vor Sonnenuntergang gehen wir immer hinüber zu Jim, um vor seinem Kiosk eine Tasse Kaffee zu trinken. Das Wetter hält sich und wir kosten die warmen und sonnigen Tage aus. 

099 USA Kalifornien Yosemite NP

USA, Kalifornien, Yosemite-Nationalpark, der 2693 Meter hohe Half Dome

USA

Eine dreitägige Wanderung soll mich am Half Dome vorbei durch die Sierra Nevada bringen. Am Vernal Wasserfall vorbei erreiche ich den Nevada Fall, der sich die schiere Felswand hinunterergießt. Viele Wanderer steigen zum Half Dome auf, um dann zurückzukehren. Hinter der Abzweigung zum Half Dome bin ich allein. Ich steige in die High Sierra auf. Als ich die Höhe spüre, beende ich meinen Wandertag und lasse mich an der Sunrise Creek, einem Bach, nieder. In der Nähe ist ein Bärendraht gespannt. Der ist praktisch. Das Essen lässt sich leicht hochziehen und hängt über Nacht sicher in der Luft. Am späten Nachmittag bekomme ich Gesellschaft. Steve ist seit vier Wochen in den Bergen unterwegs und setzt sein Zelt neben meins. In der Dämmerung tapsen zwei Bären in unser Camp. Sie klettern den Baumstamm hoch, schlagen mit ihren Tatzen auf das Bärenseil und versuchen, an unsere Esstüten zu gelangen. „Yogi, get away!“ Steve wirft Steine nach den Bären, was diese wenig beeindruckt. Sie verschwinden nach vergeblichem Bemühen. An uns sind sie nicht interessiert.

Ein mühseliger Aufstieg bringt mich am nächsten Tag auf den zirka dreitausenddreihundert Meter hohen Rest Clouds Pass. Ein phantastischer Rundblick ist die Belohnung. In der Tiefe liegt das Yosemite Valley mit dem mächtigen Half Dome. Rundum stechen die bizarren Felsengipfel der High Sierra in den Himmel. An einem der Sunrise-Seen errichte ich mein Zelt.

Über eine mit goldgelbem Gras bewachsene Hochebene laufe ich am Morgen auf den Cathedral Pass zu. Felsenmonolithe berühren den Himmel, der Cathedral Peak mutet wie eine gotische Kathedrale an. Er macht seinem Namen alle Ehre. Am unteren Cathedral Lake gehe ich auf einer schmalen Halbinsel zelten. Ein glattgeschliffenes Felsenufer rahmt den See ein, das mit einer himmelshohen Felswand verschmilzt. Es wird kalt. Morgens bedeckt eine Eisschicht das Zelt. 

100 Guatemala Tikal Dschungel

Guatemala, die Maya-Ruinen von Tikal

Guatemala

Die Ruinen von Tikal werden seit zwanzig Jahren freigelegt. Das Problem besteht nicht nur in der Freilegung und Restaurierung der alten Gemäuer, sondern auch in der Konservierung, erzählt uns Oscar. Die Maya wussten um die feuchte und zerstörerische Luft. Alle Gebäude waren einstmals verputzt und rot und blau bemalt, nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern auch um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen. Die Farben stellten die Maya aus Baumsäften her. Oscar meint, man müsse letztlich alle Gebäudereste streichen, um sie vor weiterer Zerstörung zu retten. „Vor einiger Zeit haben wir unter der Erdoberfläche eine Malerei entdeckt, eine bunte Figur. Die Farbe fing wegen des Luftzutritts nach kurzer Zeit an zu blättern. Wir haben unseren Fund mit Erde wieder zugeschaufelt, um ihn zu retten“. Die Archäologen hätten im Laufe der Zeit viel Schaden angerichtet, erfahren wir überrascht. „Auf der Suche nach Grabschätzen haben sie Tunnel durch die Pyramiden gegraben und nur die Eingänge wieder zugemauert. Jetzt entstehen Risse in den Bauwerken. Wir sind auf der Suche nach den Tunneln, um sie mit Erde aufzufüllen und weiteren Schaden zu vermeiden“.

Zum Sonnenaufgang gehe ich mit Gabi ein letztes Mal zu den Ruinen. Wir setzen uns auf die obere Plattform von Tempel I und sehen die Sonne über dem Dschungel aufsteigen. Ein letztes Mal blicken wir über die alte, geheimnisvolle Maya-Stadt, die eingetaucht ist in goldenes Sonnenlicht. Tukane sitzen in den Bäumen. Brüllaffen schreien. Rotbehauptete Spechte klopfen. Bunte Papageien heben sich vom Grün der Bäume ab. Der Urwald lebt. Und die grandiosen Pyramiden stehen schweigend im Dschungel und strahlen das Flair einer mysteriösen Vergangenheit aus, die wir Menschen heutzutage zu ergründen zu versuchen. – Mit dem Mittagsbus fahren wir zurück nach Flores. In der Eingangshalle hängt ein Poster von Tikal. Tikal – Traum oder Wirklichkeit? Eine Woche ging vorbei, von der ich gewünscht hätte, die Zeit bliebe stehen. Doch die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Sie fließt. Jetzt ist sie zu meinem großen Bedauern vorbei.

 

 

Reiseberichte und Reisefotos von Mechthild Venjakob | Gestaltung - JPdesign | (c) 2018