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Asien Reisen Buch - Durch die Weiten Asiens - Reisebericht

Mit Fahrrad und Zelt reiste ich 1998/1999 von China über Laos nach Thailand. Im Buch erzähle ich von Naturparadiesen, abgelegenen Seen und kargen Landschaften, von Klöstern, Palästen und archäologischen Parks, von ethnischen Minderheiten, Schlammpisten und Erdrutschen. Einmal verlor ich mein Fahrrad, ein andermal unterbrach ein Unfall mit Folgen die Fahrt. In China erlebte ich die dünne Luft auf dem Dach der Welt und in Laos und Thailand die tropische Hitze und den Monsun. 

 

Leseprobe...

Ich radele durch den ruhigen, kühlen und klaren Morgen. Die Welt ist für die nächsten zweiundachtzig Kilometer noch in Ordnung. Die Sonne wärmt den Rücken. Außerhalb des Ortes fängt eine Rumpelpiste an, die durch ein Dorf mit klitzekleinem Markt führt. Nach etwa achtzehn Kilometern erreiche ich das Ende der Ebene von Yan Yuan. Die Piste folgt dem Hauptfluss durch ein abfallendes, grasbewachsenes Tal, das spärlich aufgeforstet wurde. Wo sind bloß die ursprünglichen Wälder geblieben und die Bären, vor denen die Polizisten mich gewarnt haben? Ich schlittere durch verschlammte Stellen und das Säubern meines Fahrrads in Yan Yuan war für die Katze.

036 Yi Frau

Rauchende Yi-Frau

Ich fahre durch Yi-Dörfer mit weiß getünchten Steinhäuschen und Blockhütten. Egal, wohin ich komme, die Leute starren mich an wie eine Erscheinung von einem anderen Stern. Die farbenprächtigen Trachten der Frauen leuchten in der Sonne. Einige rauchen genüsslich eine Metallpfeife. Ausgerechnet als es Zeit wird, einen Lagerplatz zu finden, fängt eine Schlucht an. Ich finde einen Pfad zum Fluss hinunter und schlage mein Zelt auf den Steinen im Flussbett auf. Der zunehmende Mond, das große Sommerdreieck und Kassiopeia leuchten über meinem von Steilwänden eingerahmten Platz.

028 Leseprobe Durch die Weiten

Zelten im Flussbett

Am Morgen verhängt eine Wolkenbank die Schlucht, erst spät scheint die Sonne ins Tal. Schon bald biegt mein Weg nach links in ein Seitental ab. Vor einigen Hütten beladen ein paar Männer ihre Esel. „Ist dies der Weg zum Lugu-See?“, frage ich Lakonisch winken sie ab und sagen: „Die Straße ist durch einen Erdrutsch blockiert, da geht es nicht weiter!“ Sie wenden sich wieder ihrer Arbeit zu.

029 Steinschlag

Auf weggebrochenen Wegen

Sollte ich etwa zweihundertsechsundzwanzig Kilometer umsonst geradelt sein? Über zwei hohe Pässe und über Straßen, die keine waren, müsste ich zurück bis Xichang an der Route 108, wenn ich in dieser Sackgasse stecken bleiben würde! Ich fahre um die Ecke, um mir die Sache anzusehen und stehe vor dem ersten Hindernis. Die unter überhängenden Felsen verlaufende Piste ist mit Gesteinsbrocken übersät. Ich schiebe und hieve mein Fahrrad hindurch. Es ist anstrengend, aber machbar. Ein Jeep jedoch käme hier nicht mehr durch.

Sollte das die Blockierung gewesen sein? Ich ahne, dass das nicht der Fall ist, denn wenn Chinesen sagen, etwas gehe nicht, dann geht es gewöhnlich auch nicht. Und da sehe ich ihn auch schon: ein riesiger Erdrutsch! Vom Kamm an ist der Berghang zum Fluss abgerutscht. Ein kaum erkennbarer Pfad windet sich durch die Felsblöcke und führt steil zurück zum Weg auf der anderen Seite. Ich muss zurück! zweihundertsechsundzwanzig Kilometer zurück? Nein! Jeder Fahrradfahrer hasst es, glaube ich, denselben Weg zurückzufahren. In mehreren Gängen würde ich Gepäck und Rad hinüberschaffen. Ich hatte ja Zeit!

030 Erdrutsch

Erdrutsch

Kletterschritt für Kletterschritt balanciere ich mit jeweils einem Gepäckstück über den rutschigen Pfad. Die Geröllmassen fallen senkrecht ab zum tosenden Fluss, an einigen Stellen ist der Halt nicht breiter als ein Fuß. Wie soll ich das Fahrrad bloß herüberkriegen? – Eine Radtasche und Tiger sind noch zu holen, als ein junger Mann von der anderen Seite kommt. Er trägt zwei leere Kanister am Schulterstab und rennt sicheren Schritts über Steine und Felsen. Ich bitte ihn, mir zu helfen, es sei auch nicht umsonst. Nein, nein, Geld wolle er nicht, er mache das schon! Er schnappt sich Tiger und springt wie ein Wiesel davon. Meine Erleichterung ist unbeschreiblich.

„Das ist nicht der einzige Erdrutsch“, sagt er und hebt drei Finger in die Luft. Entsetzt starre ich ihn an. Noch drei Erdrutsche? Was soll ich denn jetzt machen? Nach all dem Theater doch zurück? „Kommt nicht infrage! Ich schaffe das schon!“

Die einstmals gute Naturstraße ist an vielen Stellen halb, an manchen sogar dreiviertel weggebrochen. Spalten im Weg deuten weitere Bruchstellen an. Felsen und Steine aus der Bergwand liegen zersplittert im Weg und weisen auf Steinschlaggefahr hin. Es kostet viel Kraft, kleinere Erdaufschüttungen zu überwinden. Schließlich stehe ich vor dem zweiten großen Erdrutsch: Der halbe Hang ist in den Fluss gefallen. Doch diese Hürde ist leichter zu nehmen als die erste, der Weg ist breit genug, um sicheren Fußes auf die andere Seite zu gelangen. 

Mein Gepäck habe ich schon herübergebracht, als plötzlich mein Fahrrad erscheint, dahinter Wang Zhong Hua, mein Brillenfreund aus Yan Yuan, mit seinem Freund, der Tiger geschultert hat. Die beiden wollen zum Lugu-See wandern. Ein Stück ziehen wir zusammen weiter, bis ich mich wieder auf mein Rad schwinge und radelnd Erdrutsch Nummer drei erreiche. Mit dem Rucksack auf dem Rücken krabbele ich auf allen Vieren durch ein steiles Geröllfeld, einen Schritt vor und zwei zurück. Mit einer Radtasche in der Hand wird die Rutschgefahr noch größer. Die beiden Wanderer haben mich eingeholt und klettern schweigend an mir vorbei, warten jedoch auf der anderen Seite. „Gib meinem Freund ein bisschen Geld und er wird dir helfen“, sagt Wang Zhong Hua. Ich reiche ihm zehn Yuan und der junge Mann schießt los. Er schnappt sich das Fahrrad und die andere schwere Radtasche und schleppt beides zusammen durchs Geröll. Ich bin baff. Wie macht er das bloß? Woher nimmt er die Kraft? Wieso rutscht er nicht wie ich?

Aus der Reaktion der beiden kann ich ersehen, dass der Geldbetrag von zehn Yuan, circa zwei Euro, angemessen, wenn nicht gar großzügig ist, denn Leute auf dem Land, Hotelangestellte und Verkäuferinnen verdienen nicht mehr als dreihundert Yuan, manchmal nur zweihundert Yuan im Monat. Ungebeten helfen sie mir über kleine Hindernisse, und Goliath, wie ich den jungen Mann getauft habe, will sich gleich das vollbepackte Fahrrad schnappen, um es über den vierten großen Erdrutsch zu bringen. Vorsichtshalber lade ich es schnell ab. Wird er seine zweifelsohne großen Kräfte nicht doch überschätzen?

031 Leseprobe Lugu See Yunnan

Der Lugu-See scheint unerreichbar zu sein.

 Der Junge klettert mit dem Fahrrad voraus, stellt es plötzlich ab und schwenkt seine Arme ratlos in der Luft: Wang Zhong Hua und ich klettern zu ihm hoch: Wir blicken in einen Abgrund! Auf fußbreiten Steinvorsprüngen, die aus der Steilwand des weggebrochenen Weges ragen, müssten wir uns auf die andere Seite zum Pfad hinüberhangeln. Sogar ohne Gepäck scheint mir die etwa eineinhalb Meter lange Kletterpartie zu gefährlich zu sein. Zwei Meter tiefer entsteht eine Mauer aus Holzstämmen und Steinen, die noch hochgezogen werden muss, damit die Stelle wieder passierbar ist. Ich sehe keinen Weg, der dahin führt, weder auf dieser noch auf der anderen Seite. 

032 Lugu See Yunnan

Das Ziel: der Lugu-See

034 Leseprobe Lugu See Yunnan

Reiseberichte und Reisefotos von Mechthild Venjakob | Gestaltung - JPdesign | (c) 2018